Der US-amerikanische Dokumentarfilm Forks Over Knives von Lee Fulkerson erregte viel Aufsehen nach seiner Veröffentlichung 2011. Untersucht und belegt wird dies anhand von Studien und Patienten berichten, wie sich die Ernährungsumstellung auf ihre Gesundheit auswirkte. Die Doku wurde sehr kontrovers aufgenommen. In diesem Artikel werde ich im Detail auf die verschiedenen Ergebnisse und Meinungen eingehen.
The China Study
Der Film basiert auf der China Study, ein Sachbuch über den Zusammenhang zwischen einer Ernährung mit tierischen Produkten und der Entstehung von Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen. Das Buch schlug hohe Wellen. Es gehört zu den Büchern, über die mehr gesprochen wird, als dass sie tatsächlich jemand liest. Auf über 420 Seiten finden interessierte Leser dort Fakten zum Thema Ernährung und Forschungsergebnisse verschiedener ernährungsmedizinischer Studien.
Das Buch kam wegen einer Studie zu seinem Namen, die der an Krebs erkrankte chinesische Premierminister Chou EnLai veranlasste. In den 1970er und 1980er Jahren wurden in einer landesweiten Erhebung über 880 Millionen Menschen zu ihrem Ernährungsverhalten und ihrer Gesundheit befragt. Es handelt sich bis heute um das größte und ambitionierteste biomedizinische Forschungsprojekt.
- Ergebnis war der China Cancer Atlas, der zeigt, wie es um die Todesraten für zwölf verschiedene Krebsarten und fünfzig weitere Krankheiten in den verschiedenen Bezirken Chinas stand. Es wurden eindeutige Zusammenhänge zwischen einer Ernährung mit viel tierischem Eiweißen und chronischen Erkrankungen festgestellt.
In den frühen 1980er lernte der chinesischer Top-Wissenschaftler Chen Junshi Colin Campbell kennen. Dieser hatte bereits kleinere Studien durchgeführt und festgestellt, dass in Ländern, deren Einwohner weniger tierische Produkte konsumieren, die Krebsraten geringer sind. Gemeinsam beschlossen sie, eine Studie im ländlichen China durchzuführen, um Fragen zu klären, die der Krebsatlas aufwirft. So wurde das China-Cornell-Oxford-Projekt ins Leben gerufen. Insgesamt nahmen rund 6500 Personen daran teil. Die Wissenschaftler fanden über 8000 statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Ernährung, Lebensstil und Krankheit.
Hauptthesen des Films „Gabel statt Skalpell“
- Was wir essen beeinflusst unsere Gesundheit. Eine vegane Ernährung unterstützt nicht nur unser akutes Wohlbefinden, sie beugt auch Krebs vor, sowie Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen. Sie kann diese Krankheiten sogar bekämpfen.
- Tierische Proteine fördern die Bildung von Krebs und Herzkrankheiten.
- Tierische Fette enthalten viel Cholesterin, was ebenfalls Herzerkrankungen begünstigt.
- Die Umwelt profitiert von einer veganen Ernährungsweise.
- Die Milch- und Fleischlobby füttert uns mit Mythen über gesunde Ernährung, damit wir weiterhin ihre Produkte konsumieren.
- Kuhmilch ist das perfekte Nahrungsmittel für ein Kalb. Bei Menschen begünstigt sie auf Dauer Allergien und Diabetes, dafür spricht die heute weit verbreitete Laktoseintoleranz. Milch ist (nicht immer) gesund.
- Mit gesunden Menschen lässt sich kein Geld verdienen. Die Pharmalobby profitiert davon, wenn wir unter chronischen Krankheiten leiden.
Vorgehensweise des Films
Der Regisseur Lee Fulkerson machte in seinem Dokumentarfilm ganz bewusst Gesundheit zum zentralen Thema. Denn dies war schon immer der größte Kritikpunkt an der veganen oder vegetarischen Diät. Sie sei ungesund, Veganern fehle es an den nötigen Proteinen und Vitaminen. Der Film belegt das Gegenteil.
Colin Campbell (Autor der China Study) und Caldwell Esselstyn stehen im Mittelpunkt von Gabel statt Skalpell. Esselstyn ist Mediziner und machte sich einen Namen, indem er seinen Patienten half, ihre Ernährung umzustellen, statt ihnen bloß Medikamente zu verschreiben. Sie und andere Wissenschaftler und Ärzte erklären in einfachen Worten, warum wir eigentlich gar nicht so viel Fleisch und Milch benötigen, wie uns immer eingetrichtert wird.
Außerdem berichten Patienten, die an Herzerkrankungen, Diabetes Typ II und Brustkrebs leiden, über die drastische Verbesserung, nachdem sie auf eine pflanzenbasierte Ernährung gewechselt hatten. Sie berichten, dass sie sich zuvor trotz vieler Medikamente schlecht fühlten. Durch eine ausgewogene Diät verbesserte sich ihre Lebensqualität beträchtlich. Eine Patientin mit Brustkrebs begann sogar, Marathons zu laufen! Daneben begleiten wir Lee Fulkerson selbst bei seiner Ernährungsumstellung.
Das Resultat? Seine Cholesterinwerte und Blutdruck sanken, was wiederum die Risiken für einen Herzinfarkt vermindert.
Und wie steht es um die Gesundheit der Deutschen?
Ein Zusammenschnitt am Anfang des Films stellt sicher, dass unsere Aufmerksamkeit geweckt ist. Wir sehen schockierende Fakten über unsere Ernährung und über das vermehrte Auftreten von Krankheiten wie Krebs und Diabetes. Allerdings handelt es sich dabei natürlich um Daten, welche die USA betreffen.
Mein Gedanke dabei war: „Typisch amerikanisch. Bei uns ist das alles nur halb so schlimm.“ Ich bin mir sicher, den meisten deutschen Zuschauern geht etwas Ähnliches durch den Kopf. Meine Neugier war geweckt. Deshalb suchte ich die entsprechenden Zahlen für Deutschland raus. Und wisst ihr was? Ich bin ehrlich schockiert!
Krankheiten in den USA vs. Deutschland
2011, im Erscheinungsjahr von Gabel statt Skalpell, waren über ein Drittel der US-Bürger übergewichtig. Heute sind es rund zwei Drittel. 53 Prozent der Deutschen sind ebenfalls übergewichtig und 16 Prozent stark fettleibig. Diabetes kommt in den USA immer häufiger vor, vor allem bei jungen Menschen. Litten 2011 noch 8.3 Prozent der Bevölkerung unter der chronischen Krankheit, sind es heute 10,8 Prozent. Deutschland liegt mit 10,4 Prozent nur knapp dahinter. Herzkrankheiten sind in den USA genauso Todesursache Nummer eins wie auch in Deutschland, vor allem im Osten der Republik. Bei uns sind die Zahlen immerhin seit 2016 rückläufig.
Im Film wird erwähnt, dass etwa die Hälfte aller Amerikaner verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt. Meine Recherche hat ergeben, dass in den USA 2018 2,9 Milliarden rezeptpflichtige Medikamente verkauft wurden, in Deutschland waren es 744 Millionen. Das sind in beiden Ländern ungefähr neun Packungen pro Person.
Tatsächlich zeigt ein Blick in die Statistik, dass Deutschland das Land mit der geringsten Lebenserwartung in Westeuropa ist. Während Spanier im Durchschnitt 83,4 Jahre alt werden, schaffen wir es gerade mal auf 81,1 Jahre.
Ernährung USA vs. Deutschland
Nach einem Blick auf die Fakten zu unserer Ernährung wird schnell klar, warum es um unsere Gesundheit nicht viel besser steht als um die der US-Bevölkerung. Mit rund sechzig Kilogramm jährlich pro Kopf essen wir zwar deutlich weniger Fleisch als die Amis mit knapp 110 kg. Der (umstrittene) Konsum von Milchprodukten ist in den USA mit 293 kg pro Kopf aber ähnlich wie in Deutschland mit 274 kg.
Alarmierend ist vor allem der Konsum von Zucker. 2016 belegte die USA weltweit Platz Nummer eins, mit 126,4 Gramm Zucker pro Person und pro Tag. Deutschland belegte Platz zwei mit 102,9 Gramm. Kleine Bemerkung am Rande, die WHO empfiehlt höchstens 25 Gramm Zucker täglich. Insgesamt konsumierte der Durchschnitts-Deutsche 2018 6,4 kg Süßigkeiten, der Amerikaner 6,3 kg. In Zukunft sollten wir wohl besser einen Blick auf den eigenen Teller werfen, bevor wir uns über die Amis lustig machen …
Politik in Deutschland
Was die Agrarlobby betrifft, so sorgt sie auch hierzulande für Schlagzeilen. Zuletzt berichtete die ARD in der Enthüllungsreihe „Die Story“ über mögliche Verflechtungen mit der Politik.
Wer mag, kann den passenden Artikel der Süddeutschen Zeitung dazu lesen.
Kritik am Film Gabel statt Skalpell
Es ist wichtig, zu verstehen, dass die China Study eine epidemiologische Studie ist. Bei diesen Beobachtungsstudien wird klar, dass der Verzehr tierischer Eiweiße einen Einfluss auf die Krebsrate hat, allerdings ist der Effekt minimal und es konnte keine Kausalzusammenhänge festgestellt werden.
„Die China Study war ein wichtiger Meilenstein. Sie alleine beweist aber nicht, dass die Ernährung Krankheiten verursacht.“
Zitat aus dem Buch The China Study
Mir fehlt zudem die Erwähnung weiterer Faktoren. Denn während die Ernährung unbestreitbar fundamental ist für unsere Gesundheit, sind weitere Einflüsse genauso wichtig.
- medizinische Versorgung
- Lebensumstände
- allgemeine Gesundheit & Vorbelastungen
- genetische Veranlagung
Daher finde ich es schwierig, die Gesundheit eines Kenianers und eines Amerikaners nur anhand ihrer Ernährung zu vergleichen. Wenn beispielsweise in Kenia jemand Krebs bekommt, kann es sein, dass er wegen der schlechteren medizinischen Versorgung nie diagnostiziert wird und deshalb nie statistisch erfasst.
Zuschauer sollten außerdem bedenken, dass die gezeigten Patienten Extremfälle sind. Sie nahmen vor ihrer Ernährungsumstellung enorme Mengen an Kalorien, Fett und Zucker zu sich, nicht nur tierische Produkte. Vegan oder nicht, die Resultate einer gesunden, ausgewogenen Ernährung sind dann natürlich schnell und deutlich sichtbar.
Fazit
Vor dem Hintergrund der alarmierenden Zahlen über den Gesundheitszustand unserer Bevölkerung, ist es allerhöchste Zeit, dass wir uns mit unserer Ernährung auseinandersetzen. Ich bin überzeugt, dass viele der chronischen Krankheiten durch Ernährungsfaktoren begünstigt werden. Darüber hinaus lässt sich die CO₂-Emission verringern, indem wir unseren Fleischkonsum reduzieren. Gabel statt Skalpell zeigt das auf, ganz ohne die Moralkeule zu schwingen.
Dennoch bezweifle ich, dass eine vegane Ernährung allein die Lösung all unserer gesundheitlichen Probleme darstellt. Denn auch unsere Lebensumstände wirken sich auf die Gesundheit aus. Wer beispielsweise ein stressreiches Leben führt oder sich nicht genügend bewegt, wird vermutlich trotz einer ausgewogenen Ernährung früher oder später Gesundheitsbeschwerden haben. Wer auf eine vegane Diät umstellen möchte, sollte sich zudem ausreichend informieren, am besten bei einem Ernährungsberater. Für die Aminosäuren beispielsweise gilt es, gesunde Alternativen zu finden.
Trotz einiger Kritikpunkte am Inhalt gefiel mir der Dokumentarfilm. Vor allem im Vergleich mit der reißerischen Netflix-Doku The Game Changers. Er ist unterhaltsam, übertreibt nicht und missioniert auch nicht. Stattdessen regt er zum Nachdenken an. Ich habe aus dem Film mitgenommen, wie wichtig unsere Gesundheit ist und wie viel unsere Ernährung dazu beiträgt. Ganz nach dem Zitat von Ludwig Feuerbach: Der Mensch ist, was er isst. Mir hat der Film auf jeden Fall Lust gemacht, mich gesünder zu ernähren! Vielleicht werde ich sogar einen Blick in das dazugehörige Kochbuch werfen …