Kaum ein Lebensmittel wird derzeit kontroverser beurteilt als die Milch. Noch vor wenigen Jahrzehnten galt Milch als eines der besten Lebensmittel überhaupt. Eine komplette Eiweißquelle mit nahezu allen essenziellen Aminosäuren, reich an Kalzium, Vitamin D, A und einigen B-Vitaminen. Es hieß, sie sei gut für die Knochen und ein echter Krafttrunk.
Heute wird Milch wesentlich differenzierter bewertet. Und das liegt keineswegs nur an dem veganen Trend, der letzthin um sich greift und ein paar gute Denkanstöße geliefert hat. Auch rein wissenschaftlich hat sich die Wahrnehmung geändert. Zwar treffen die Feststellungen hinsichtlich des Nährstoffgehalts der Milch nach wie vor zu. Allerdings kommt Milch mit einigen Nachteilen behaftet daher, die ebenfalls nicht zu vernachlässigen sind. Zumal Ihr viele der Vorteile der Milch problemlos durch smarte Substitution wahrnehmen könnt, ohne dafür notwendigerweise auf Milch als Lebensmittel angewiesen zu sein.
Die gute Nachricht zuerst
Fakt ist, dass Milch nach wie vor eine der komplettesten Eiweißquellen ist, die wir kennen. In Casein, dem hauptsächlichen Protein der Kuhmilch sowie in Whey (Molkenprotein), dem sekundären Protein, sind fast alle essenziellen Aminosäuren enthalten. Das sind solche Aminosäuren, die für den menschlichen Organismus unerlässlich sind, aber von außen zugeführt werden müssen, da der Körper sie (anders als die nicht-essenziellen Aminosäuren) nicht von Grund auf selber synthetisieren kann. Ferner ist Milch tatsächlich reich an Kalzium sowie an dem Vitamin D, das für dessen Aufnahme erforderlich ist.
Allerdings konzentrieren sich in der Kuhmilch nicht nur gesunde Makro- und Mikronährstoffe. Milch, sofern wir nicht explizit von Magerstufen reden, enthält auch viel Fett (insbesondere gesättigtes) sowie den Milchzucker (Laktose), der mittlerweile rund 10 bis 15 % der Bevölkerung zu schaffen macht. Dass laktosefreie Milch in unseren Supermarktregalen zugenommen hat, kommt also nicht von ungefähr. Denn im selben Atemzug, wie sich die letzten paar Generationen ihre tägliche Milch leisten konnten, so kamen auch die Probleme auf, die durch den steigenden Konsum dieses Lebensmittels bedingt waren und sind. Denn genau das ist Milch. Ein Lebensmittel! Milch ist keineswegs nur ein Getränk. Dafür ist sie viel zu gehaltvoll.
Doch nicht so gut für die Knochen, wie gedacht
Dass Milch einst als Lebenselixier für die Knochen galt, lag vor allem am hohen Kalziumgehalt. Diesen stellte man schon relativ früh in der Milch fest. Da Kalzium bekanntermaßen elementar für die Knochen war, schloss man daraus, dass Milch folglich gut für Knochen sein musste. Beweisführung abgeschlossen!
Allerdings tat sich schon alsbald ein klarer Widerspruch auf. Denn in einigen Ländern wie Japan, China und Peru wurde und wird rund nur ein Drittel so viel Milch pro Kopf verbraucht wie bei uns. In manchen dieser Länder entfällt der Konsum überdies vorrangig auf Kinder. In der Ernährung der Erwachsenen spielt Milch dort nur eine untergeordnete Rolle. Und dennoch waren die Raten für Osteoporose sowie für Knochenbrüche allgemein niedriger.
Das Gerücht hält sich standfest, wer viel Milch trinkt, der nimmt zugleich viel Calcium auf, was wiederum gut für die Knochen ist. Leider lassen sich heutzutage Knochenkrankheiten wie Osteoporose auch bei jüngeren Leuten finden, Grund dafür ist die Ernährung. Ernährungsexperten sind sich mittlerweile einig, dass Milchprodukte, durch die Inhaltsstoffe Säure im Körper fördern. Dies geht mittlerweile so weit, dass in manchen Ländern sogar die Werbung für Milchprodukte, wenn diese als „gesundheitsfördernd“ dargestellt werden, verboten sind.
Auch wenn die Gesundheit der Kinder am Herzen liegt, sollte auf Milch und Milchprodukte verzichtet werden, dies gilt nämlich nach neusten Erkenntnissen als Hauptallergieauslöser. Jetzt werden viele argumentieren, dass Kinder doch Milch brauchen und die Antwort ist – Ja, aber Muttermilch und keine Kuhmilch! Die Bestandteile der Kuhmilch basieren darauf aus einem kleinen Kalb eine riesige Kuh zu machen, zudem werden Kühe heutzutage oft mit Antibiotika behandelt, sodass dies ebenfalls in die Milch abgegeben wird.
Tatsache ist nun mal auch, dass wir es in Deutschland sehr gut haben. Ganz einfach beim Discounter lassen sich Hafer-, Reis-, Soja- und Mandelmilch finden. Diese gibt es auch schon für kleines Geld, sodass es leicht ist auf Kuhmilch zu verzichten. Auch für Menschen, die denken, dass es keinen Weg gibt Calcium zu konsumieren, außer durch Kuhmilch, können wir diese beruhigen, denn die Kuhmilch Alternativen haben genauso viel oder sogar mehr Calcium pro 100ml.
Langzeitstudien
Dieser Widerspruch rief genauere Nachforschungen auf den Plan. In Langzeitstudien wurde zumindest implizit nachgewiesen, dass Milch nur bis zu einem gewissen Grad die Knochengesundheit fördern könnte. Immerhin ist nicht nur der Kalziumgehalt in Milch tatsächlich hoch, sondern ebenso die Bioverfügbarkeit dieses Minerals. Doch Mengen von mehr als zwei Gläsern am Tag brachten diesbezüglich keinen Mehrwert. Im Gegenteil! Große Mengen Milch schienen sogar eher das Risiko für Knochenbrüche zu erhöhen, was aber wahrscheinlich nicht am Kalzium liegt. Hier könnte tatsächlich ein überhöhter Proteinkonsum der Übeltäter sein, denn dieser bindet zunächst Kalzium, was zu diesem Zweck aus den Knochen absorbiert wird (Kalzium lagert zu 99 % in Knochen und Zähnen).
Das Problem bei solchen Studien ist natürlich, dass jede Menge Störgeräusche vorliegen. Denn wie gut die Knochengesundheit ist, hängt von einer ganzen Menge mehr ab. Aktivitätsgrad, Vitamin D Aufnahme durch die Sonne, Vitamin K sowie die Ernährung insgesamt spielen hier eine wichtige Rolle, um nur einige Faktoren zu nennen.
Milch ist IMMER Muttermilch
Dass Milch, aufgrund ihres hohen Gehalts, auch Vorteile hat, ist nicht ernsthaft zu bestreiten. Allerdings darf man auch nicht die Augen vor den Nachteilen verschließen. Die meisten davon begründen sich wohl darauf, dass der Milchverzehr evolutionär noch eine sehr junge Erscheinung ist. Und auch eine sehr künstliche. Denn vor der Viehzucht, die vor rund 9.000 Jahren begann (was evolutionär fast nur ein Wimpernschlag ist), konsumierten die Menschen keine Milch! Keinem Jäger wäre es auch nur im Traum eingefallen, trächtigem Wild nachzustellen, um dann am Euter zu nuckeln.
Was das Ganze noch sonderbarer macht, ist, dass der menschliche Milchkonsum noch nicht einmal jenem der Tiere entspricht, für welche die Milch eigentlich gedacht ist. Nicht nur trinken viele von uns die Milch einer fremden Spezies – wir tun es auch noch als Erwachsene! Etwas, was den Tieren selbst völlig fremd ist. Entwöhnen diese sich als Jungtiere erst einmal von der Muttermilch (denn nichts Anderes ist tierische Milch), dann trinken sie diese nie wieder. Das tut nur der Mensch! Die Tatsache, dass er die Milch einer anderen Spezies konsumiert, verschleiert gewissermaßen, wie absurd das eigentlich ist. Oder wann habt Ihr das letzte Mal Eure Mutter gefragt, ob sie Euch die Brust reichen kann?
Lactase ist was für Kinder
Die weit verbreiteten Unverträglichkeiten (allem voran natürlich die Laktose-Intoleranz) sprechen dafür, dass wir uns auch nach Tausenden von Jahren noch nicht ganz an diese unnatürliche Ernährungsweise gewöhnt haben. Und in den besagten Teilen der Welt, wo Milch nie derart umfangreich Einzug gehalten hat wie bei uns, sind die Quoten an entsprechenden Unverträglichkeiten noch weit höher.
Die Lactose-Intoleranz, in ihren milden bis ausgeprägten Formen, kommt dadurch zustande, wenn der in Milch enthaltene Milchzucker nur unvollständig oder gar nicht aufgespalten werden kann. Denn dazu braucht es das Enzym Lactase. Die meisten Kinder haben davon reichlich im Organismus. Doch je älter die Menschen werden, desto mehr geht die Bildung von Lactase sukzessive im Körper zurück.
Bei manchen geht das so weit, dass sie gar keine Lactase Enzyme mehr haben und Milchzucker nun überhaupt nicht mehr vertragen können. Das erklärt auch, warum viele Menschen, die früher problemlos Milch trinken konnten, plötzlich anteilige oder gar voll ausgeprägte Unverträglichkeiten gegen Milch ausbilden. Lactase ist nämlich ein Artefakt aus Kindertagen. Da liegen die Japaner und Co. nicht falsch.
Auch der hohe Gehalt an gesättigten Fettsäuren ist nicht unbedenklich. Insbesondere, wenn er mit anderen ungünstigen Ernährungsformen einhergeht.
Gänzlich auf Milch verzichten?
Ganz so weit müsst Ihr nicht gehen. Sofern Ihr Milch nach wie vor gut vertragt, ist ganz sicher nichts gegen das gelegentliche Glas einzuwenden. Ganz im Gegenteil! Gerade in dieser Größenordnung (nicht mehr als ein bis zwei Gläser am Tag) bringt Milch wahrscheinlich am meisten. Allerdings könnt Ihr die positiven Eigenschaften der Milch auch gezielt ausnutzen, indem Ihr Euch für sinnvollere Konsumformen entscheidet. Magerquark ist beispielsweise ein hervorragendes Mittel, um an die reichhaltigen Proteine und Aminosäuren in der Milch zu kommen, ohne die gesättigten Fettsäuren mit untergejubelt zu bekommen.
Andere Argumente für die Milch, wie ihre harntreibende Wirkung oder die Senkung des Blutdrucks, lassen sich durch einen aktiven Lebenswandel und durch ausreichend Wasser trinken problemlos und ohne Nebenwirkungen umsetzen. Und Eiweiß-Shakes wie ESN Micellar, in denen Whey oder Casein zum Einsatz kommen (also eben jene Eiweißkomplexe aus der Milch), könnt Ihr auch problemlos mit Wasser zu Euch nehmen. Solltet Ihr Veganer sein oder gar eine Milcheiweiß-Unverträglichkeit haben (also eine Unverträglichkeit gegen Casein an sich), dann gibt es mittlerweile zahlreiche pflanzliche Alternativen in Pulverform, die nur unwesentlich teurer sind als Whey und Casein.
Vor- und Nachteile der Milch im Überblick
Vorteile der Milch
- Ist eine der komplettesten Eiweißquellen mit Blick auf essenzielle Aminosäuren
- Enthält, sofern keine Magerstufen vorliegen, viele gesättigte Fettsäuren
- Bietet die meisten Vorteile bei gemäßigtem Konsum (ein bis zwei Gläser am Tag)
- Magerstufen betonen die Vorteile von Milchprodukten und sättigen gut
- Gewisse Konsumformen, wie Joghurt, fördern die Darmgesundheit
Nachteile
- Ein hoher Konsum von Milchprodukten kann zu einem Übermaß an Protein führen
- Enthält, sofern keine Magerstufen vorliegen, viele gesättigte Fettsäuren
- Scheint in hohen Dosen tendenziell eher schlecht als gut für die Knochen zu sein
- Mögliche Unverträglichkeiten, wie Allergie gegen Milcheiweiß oder Laktose-Intoleranz
- Eine Laktose-Intoleranz kann sich mit der Zeit prinzipiell bei jedem ausbilden
- In der Mast angewandte Medikamente können ihren Weg in das Endprodukt finden
- Milchkonsum, wie wir ihn pflegen, ist im Kern eine unnatürliche Ernährungsweise
Unser Fazit
Wie immer gilt: Die Menge macht das Gift. In Maßen konsumiert ist Milch nicht ungesund. Aber gerade für Sportler gibt es andere Produkte, mit denen man ebenfalls seinen Proteinbedarf decken kann. Ob dies nun unbedingt pflanzliche Proteinpulver sein müssen, ist natürlich dahin gestellt. Wichtiger ist, dass du dich bewusst ernährst und immer wieder deine Essgewohnheiten hinterfragst.